Ungewohntes Feuer
Rauchmelder nur zweitbeste Lösung
 
14 Piktogramme warnen auf der Verpackung einer Kerze neben sechs schriftlichen Warnungen. Offenbar kann niemand mehr mit Feuer umgehen. Schon vor zwei oder drei Jahrzehnten stellten Mitarbeiter der Stuttgarter Jugendhäuser fest, dass Jugendliche zum Teil noch nie ein Feuer gemacht hatten, zum Teil auch nicht wussten, wie man mit Feuer vernünftig umgeht.
12000 Brände, bei denen Versicherungen zahlen mussten, wurden 2011 im Dezember erfasst. Deshalb werden in immer mehr Bundesländern Rauchmelder vorgeschrieben. Denn schon wenige Atemzüge im Qualm genügen für eine Rauchvergiftung.
Ganz früher brannte täglich das Feuer im Herd, oder das Lagerfeuer der Nomaden, so dass Kinder von frühester Jugend an mit Feuer umzugehen lernten. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Wohnungen mit Kohleöfen beheizt, so dass man als Kind lernte, wie man Feuer macht. In den Städten wurden viele Herde mit Gas betrieben, so dass auch hier der Umgang mit Feuer und seinen Gefahren alltäglich war. Selbstverständlich brannten im Adventskranz, am Weihnachtsbaum, oder in den Laternen beim Laternenumzug Kerzen. Auch bei manchen Gottesdiensten, zum Beispiel an Ostern, hielten die Gläubigen brennende Kerzen in  der Hand. Feuer war also etwas Alltägliches.
Heute dagegen schmückt gefilmtes Feuer den Plasmabildschirm des Restaurants um Stimmung zu verbreiten, oder als Bildschirmschoner den Computer. Dafür verursachen viel häufiger elektrische Geräte Brände, eben weil es viel mehr solcher Geräte gibt, als früher.
Schon in den fünfziger Jahren wurden Vorgärten aufgegraben, um dort riesige Öltanks zu versenken, weil die Ölheizung das Schleppen von Holz, Kohle und Asche ersparte und auf Knopfdruck ansprang (solange der Strom nicht ausfiel). Der Trend ging zur Zentralheizung, sei es Öl, Gas oder Fernwärme. Das war für die Umwelt und die Atemwege sicherlich ein Fortschritt, da der Geruch von Russ und halb Verbranntem zurückging.
Was zunächst für Christbäume im Freien, oder aber in Kaufhäusern sinnvoll schien, nämlich elektrische Christbaum-Beleuchtung, wurde in den Vorgärten der Reichen zum Statussymbol. Und weil es so bequem war und mittlerweile immer billiger wurde, ersetzten elektrische Lampen immer öfter die brennenden Kerzen. Bei elektrischem Licht braucht man kein Tuch unter dem Weihnachtsbaum, das verhindern soll, dass der Boden mit Wachs bekleckert wird, und auch keinen mit Wasser gefüllten Eimer, um im Brandfall rasch löschen zu können. Obendrein kann man beim Anzünden keine Kerze vergessen und muss nicht jede Kerze einzeln löschen, wenn man nicht darauf warten will, bis alle herunter gebrannt sind. So reizvoll es ist zuzuschauen, wie es im Zimmer langsam immer dunkler wird, weil eine Kerze nach der anderen erlischt, so wenig passt dieser Zeitaufwand in unsere schnelllebige Zeit. Der Nachteil ist, dass Kindern und damit später auch Erwachsenen die Erfahrung im Umgang mit Feuer fehlt.
Kinder erleben offenes Feuer häufig nur noch bei Sonnenwendfeuern, die so groß sind, dass die Erwachsenen und die Hitze die Kinder fern halten, oder beim Grillen in einem entsprechenden Gerät, das mit Holzkohle bestückt und mit Grillanzündern oder gar elektrischer Heißluftpistole gestartet wird, wenn es nicht gleich ein Elektrogrill ist. Ein Ausflug zu einer Feuerstelle im Wald, an der man Würstchen am Spieß braten kann, ist deshalb für viele Kinder heute schon fast eine Sensation. Da auch das Abbrennen von trockenen Feldern, die Kartoffelfeuer und das Verbrennen von Gartenabfällen selten geworden sind – was aus Gründen des Umweltschutzes zu begrüßen ist – haben Kinder heute kaum eine Gelegenheit selbst mit Feuer zu experimentieren.
Es ist also nicht verwunderlich, wenn Eltern und Kinder im Umgang mit offenem Feuer unsicher sind und deshalb auch Fehler machen, die dann zu Unfällen führen. Umgekehrt führt aber das Unwissen über den Umgang mit Feuer auch zu völlig übertriebenen Ängsten. Es gibt Kinder, die sich nicht trauen ein Streichholz anzuzünden.
Schaut man sich die Statistik (von der Jahrtausendwende, neuere liegen angeblich nicht vor) der Schäden durch Feuer an, dann fällt auf, dass sie in Ländern, wie Tschechien, Polen, Slowenien oder Singapur bei 0,07 % des Bruttosozialproduktes sehr niedrig liegen. Deutschland steht mit 0,13 in der Mitte und Norwegen, Schweiz, Belgien und Österreich mit 0,22 - 0,26 an der Spitze. Bei den Todesfällen je Million Einwohner sieht es so aus: In der Schweiz (allerdings nur in Gebäuden und ohne Feuerwehrleute) sterben im Jahr fünf Personen, Deutschland liegt bei Zählung aller durch Feuer Verstorbenen mit sieben im unteren Drittel und an der Spitze übertrifft Dänemark mit 16 die USA mit 14 Toten.
Dabei muss man vermutlich berücksichtigen, dass Holzhäuser und Häuser in Leichtbauweise eher brennen, als massive Steinhäuser, oder, dass Maßnahmen gegen Feuer eher in großen Wohnblocks von der Hausverwaltung ergriffen werden, als im Einfamilienhaus. Die verschiedenen Schadenshäufigkeiten und ihr Ausmaß hängen eben nicht nur von nationalen Eigenheiten ab, sondern von der Bausubstanz, der Bauweise, Siedlungsdichte (wie rasch ist die Feuerwehr da), sowie davon, ob der Umgang mit Feuer vertraut ist, oder nicht.
Der Aufwand, den die verschiedenen Länder für die Feuerwehr betreiben, schwankt auch erheblich: Von 0,04% des Bruttosozialproduktes in Singapur bis zu 0,35% in Kanada. Für Deutschland liegen keine Zahlen vor.
Beim Bau macht der Feuerschutz zwischen 2,5 % in England und 5 % in Dänemark aus. Die geschätzten Kosten liegen zwischen 1 Cent (ob je Quadratmeter oder Wohneinheit verrät die Weltfeuerstatistk von 2008 leider nicht) in englischen Wohnhäusern über 7 Cent in Nichtwohngebäuden bis zu 13,5 % in kanadischen Hochhausappartements.
Nimmt man die Statistik als Anhaltswert, dann liegt Deutschland meist im Mittelfeld, sofern es überhaupt Zahlen gibt. Es wäre interessant zu erfahren, ob und wie sich die Pflicht Rauchmelder  an der Decke (warme Luft steigt auf) zu installieren in den jeweiligen Bundesländern auswirkte. Vor allem wäre ein Vergleich zwischen Aufwand und Nutzen spannend, denn es besteht der Verdacht, dass die Politik nach einer Brandkatastrophe Tatkraft zeigen wollte und die Pflicht zum Einbau von Rauchmeldern schuf, ohne zu bedenken, dass sie damit kein Feuer verhindert, sondern nur Schäden verringert und zugleich den Herstellern ein Millionengeschäft verschaffet.
Wie hoch ist der Aufwand? Bei Kosten von knapp über zehn Euro, muss man jedes Jahr die Batterie wechseln, bei Geräten von knapp 70 Euro mit Langzeitbatterie ist das nicht nötig, dafür aber alle zehn Jahre ein neues Gerät. Sind die Geräte per Funk verbunden, z.B. in weitläufigen Gebäuden, um alle im Haus zu warnen, wird es noch teurer. Der Aufwand beginnt also bei etwa 2 Euro je Jahr und Raum und steigt bis auf 7 oder mehr Euro an. Das bedeutet aber auch, dass die Pflicht Rauchmelder zu installieren für die Hersteller und Batterielieferanten ein riesiges Geschäft ist: Wenn man mal vereinfachend annimmt, dass jeder Bürger ein Zimmer für sich hat, dann sind das gut 80 Millionen Zimmer in denen Rauchmelder installiert werden müssten (Bad, Klo und Küche sind nicht überall vorgeschrieben). Das ist in zehn Jahren ein Umsatz zwischen gut 800 Millionen plus 800 Millionen für Batterien und 5,6 Milliarden Euro. Darin sind nicht enthalten die Kosten für die Umweltbelastung durch Müll von Batterien und alten Geräten, sowie der Aufwand den jeder Besitzer eines Rauchmelders treiben muss (Anbringen, Prüfen, Putzen und Batterie wechseln).
Es gibt allerdings  Menschen, die von häufigen Fehlalarmen so genervt sind, dass sie die Batterien entfernen, denn oft genügen schon Dämpfe aus der Küche, oder ein Weihnachtsbaum mit Kerzen um Alarm auszulösen. Besonders nett ist, wenn ein Fehlalarm losgeht, während die betreffenden Bewohner im Urlaub sind. Dann muss man entweder den nervenden Ton aushalten, bis die Batterie leer ist, oder einen Schlüssel zur Wohnung haben, auf eine Leiter steigen und den Alarm stoppen. Allein schon dieser Aufwand in jedem Zimmer mit Rauchmelder mindestens einmal im Jahr auf die Leiter zu steigen und die Batterie zu wechseln, ist für alte Leute zu viel verlangt. Aber gerade wenn man im Alter etwas vergesslicher wird, könnte ja mal ein auf dem Herd vergessener Topf oder eine vergessene Kerze zur Gefahr werden. Aber wie sollen Oma oder Opa auf die Leiter steigen, um den Alarm abzustellen?
Richtig installierte und gewartete Rauchmelder sind zwar in der Lage Feueralarm auszulösen und damit Schaden zu verringern. Sie können aber nicht unbeabsichtigte Feuer verhindern. Das könnte nur ein sorgsamer Umgang mit Feuer, wozu gehören würde, dass man Feuer gewohnt ist und weiß, wie man damit umgehen muss (z.B. offenes Feuer, brennende Kerzen oder einen Weihnachtsbaum mit brennenden Kerzen niemals alleine lassen).
Es sieht so aus, als ob die Bequemlichkeit, die Zentralheizung und elektrische Beleuchtung mit sich brachten, zugleich aber auch einen Verlust an Fähigkeiten im Umgang mit offenem Feuer zur Folge hatte, und man dafür nun einen höheren technischen Aufwand treiben muss. Es wäre reizvoll zu wissen, ob das Erlernen des richtigen Umgangs mit Feuer nicht besser - weil vorbeugend, beruhigend - und billiger wäre.
 
Bild oben: Kerzen auf dem Tisch findet man fast nur noch bei Kindergeburtstagen, oder in Restaurants.
Carl-Josef Kutzbach
Samstag, 16. März 2013 (vom 16.12.2012)