Warum uns die Lust vergeht
 
Eine Haltestelle an einer Grünanlage. Alles wächst wild durcheinander. Neben den gepflanzten Hartlaubsträuchern haben sich Brombeeren, Bittersüßer Nachtschatten, Hopfen, Efeu, und andere Wildkräuter ausgebreitet. Dann kommt ein „Pflegetrupp”. Mit einer Motorsense wird lautstark (man soll hören: „Hier wird geschafft!”) der Rand zum Gehweg „getrimmt”, ein paar größere Büsche werden mit der Schere gekürzt.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ein Teil des Schnittgutes bleibt liegen; der Rand des Gehwegs, auf den Regen die Erde gespült hat, wird ebenfalls nicht gesäubert. Weiter drin wuchert alles, wie bisher.
Der „Pflegetrupp“ ist nach kurzer Tätigkeit weiter gefahren. Zurück bleibt ein Stück Arbeit, dem man ansieht, dass es schnell gehen musste. Es sieht weder gepflegt aus, noch ästhetisch.
Wahrscheinlich haben diese „Gärtner”, oder Maschinenführer selbst keine rechte Freude an dieser Arbeit gehabt, die wegen der Zeitvorgabe gar kein befriedigendes Ergebnis erreichen konnte.
Genau das spüren auch die vielen Fahrgäste, die täglich an der Haltestelle warten. Sie sehen eine verwüstete Umwelt (von der Motorsense zerfetzte Stängel) die schlechte Gefühle weckt.
Gute Arbeit kann Freude bereiten, ja sogar stolz machen, aber so wie diese Arbeit getan werden musste, kann sie nicht befriedigen, weder den, der sie macht, noch die, die sie täglich betrachten müssen. Da hat niemand „mit Liebe” gegärtnert, sein Bestes gegeben, sich bemüht, etwas Schönes geschaffen. Dafür gibt es auch keine Anerkennung, kein Lob, keine erfreuten Blicke.  
Derartige unbefriedigende Arbeitsbedingungen, aber auch Umweltgestaltungen erlebt man heute viel zu oft. Sie schaffen schlechte Laune, optische Katastrophen und eine unzufriedene Stimmung. Weder diejenigen, die die Arbeit machen, werden damit glücklich, noch die, die mit den Produkten oder Ergebnissen leben müssen.
Die Reihe der Beispiele ist beliebig lang, von schlampig genähter Kleidung, über Schuhe, die nicht lange halten und nicht repariert werden können, Geräte, bei denen die Reparatur nicht lohnt und die Garantiezeit so kurz wie möglich ist, bis zu Gebäuden, oder Arbeitsplätzen, gar Dienstleistungen, bei denen man merkt, dass niemand an die gedacht hat, die sie täglich sehen, darin wohnen, oder damit zufrieden sein müssen, sondern nur daran das es billig sein soll. Egal, ob Aushilfskellner nicht wissen, wie man serviert, ob es in Geschäften an Fachverkäufern mangelt, ob Kunden in der Warteschleife verzweifeln, oder elektronische Geräte immer schneller veralten oder kaputt gehen.
Arbeiter, Angestellte und Dienstleister haben häufig allen Grund unzufrieden zu sein. Deutschland liegt bei der Arbeitszufriedenheit auf dem 18. von 22 Plätzen. Die Zufriedenheit der Menschen mit Produkten, Dienstleistungen und gebauter Umwelt dürfte in den letzten Jahrzehnten ebenfalls gesunken sein. Dabei ist Deutschland eines der reichsten Länder der Welt und nicht gerade einer Katastrophe entronnen.
Angesichts von Millionen von Arbeitslosen, die zum großen Teil über eine vernünftige Arbeit froh wären, ist nicht einzusehen, dass politische Vorgaben (es darf nicht viel kosten) den Bürgern in Stadt und Land die Schönheit ihrer Orte, die Stimmung und das Leben vermiesen, während für Banken und Hedgefonds, die sich selbst bereichern, Milliarden ausgegeben werden.
 
Die Fotos zeigen, wie kleine Büsche mit der Motorsense abgefräst wurden (Titel) und wie triste und ungepflegt der Rand der Grünanlage jetzt aussieht (im Text).
Carl-Josef Kutzbach
Dienstag, 2. August 2011