Kaufen oder Selbermachen?
 
Einmachzeit. Man sieht es am Gelierzucker in den Regalen der Läden. Aber wer macht noch ein? Wozu auch? Das fertige Glas Gelee oder Marmelade steht im Regal zum Mitnehmen bereit und kostet nicht die Welt. Also rein in den Einkaufswagen.
Einmachen dagegen ist mühsamer: Etwa eine Stunde lang plünderten wir zu zweit zwei Johannisbeerbüsche im Garten. Sprachen dabei über Gott und die Welt, klagten beim Aufstehen oder Bücken über das Älterwerden und seine Nebenwirkungen, hofften, das wir vor dem drohenden Regen fertig würden und betrachteten stolz die immer voller werdenden Schüsseln. Hie und da wanderten mal einige Früchte direkt in den Mund; lecker. Da die Sträucher im eigenen Garten stehen, war klar, dass keine Giftreste daran haften.
Wir wurden rechtzeitig vor dem Regen fertig, saßen in der Küche und zogen die Rispen durch Gabeln um so die Beeren von den Stielen zu befreien, wobei wir wiederum halb über die Arbeit, halb über Allerlei sprachen und wohl eine weitere Stunde verbrachten. Unterdessen säuberte die Spülmaschine die leeren Gläser vom Vorjahr und planschte und brummte im Hintergrund.
Draußen pladderte inzwischen der Regen und die Vögel waren sofort, nachdem wir den Garten verließen, in die Büsche eingefallen um zu prüfen, ob wir ihnen auch noch genügend Beeren übrig gelassen hätten, oder ob gar welche bequem am Boden zu finden wären.
Schließlich waren alle Beeren von den Stielen befreit, die im den Kompost landeten, während die Beeren in den Kochtopf wanderten. Bald begann die Küche nach heißenden Johannisbeeren zu riechen. Unterdessen wurden die sauberen Gläser bereit gestellt und Etiketten geschrieben. Schließlich war es soweit: Der heiße Beerenbrei wurde durch ein Sieb gepresst und der Saft mit Zucker kurz aufgekocht. Es duftete herrlich. Glas für Glas füllte sich mit der heißen roten Brühe. Sobald die Gläser verschlossen waren und abkühlten, knackte hin und wieder einer der Schraubverschlüsse, sobald der Unterdruck im Glas den leicht gewölbten Deckel nach innen zog. Später, als die Gläser kühl genug waren, noch die Etiketten drauf geklebt und ab in den Vorratskeller, bis auf eines, das für den Test beim nächsten Frühstück gleich dableiben musste.
Beim Öffnen duftete es nach Johannisbeeren und vor meinem Inneren Auge erschienen die Tätigkeiten des Vortages: Zupfen, Waschen, Zupfen, Aufkochen, Seihen, Aufkochen, Einfüllen, Beschriften. Dazu die Mitwirkenden, die Stimmung im Garten und in der Küche und das zufriedene Gefühl nach getaner Arbeit. Mit besonderer Andacht strich ich den Gelee aufs Brot, kaute genießerisch langsam und schwelgte in der Erinnerung an das gemeinsame Tun.
Lohnt sich der Aufwand? Schwer zu sagen, wenn man es nur ökonomisch betrachtet. Wer nur überlegt, was er in den gut drei Stunden verdienen würde, wie viel Arbeit in der Pflege der Sträucher steckt, in der Herstellung der Marmelade oder des Gelees und was der Gelierzucker gekostet hat, der dürfte je nach Menge zu dem Schluss kommen, dass der gekaufte Gelee kaum teurer sei. Zumindest, wenn man keine eigenen Beeren im Garten hat und zudem Gelee oder Marmelade in größeren Mengen einkauft, statt für jedes Glas einzeln zum Laden zu fahren oder zu gehen.
Wer jedoch davon ausgeht, dass er all diese Tätigkeiten in der Freizeit macht und die Freude an der Gartenarbeit, am gemeinsamen Ernten und Verarbeiten, die Gespräche nebenher, der gute Duft in der Küche und im Haus, sowie das Wissen, dass in dieser Selbstgemachten keine Spritzmittelrückstände, keine Geschmacksverstärker und möglicherweise noch andere nicht deklarierte Stoffe drin sind; kurz: wer sich stolz über das Ergebnis eigenen Tuns freut, der wird die reine Kostenrechnung für unangemessen halten. Wenn zudem noch Kinder mit dabei sind, die auf diese Art und Weise nebenher etwas über die Herstellung und Qualität von Lebensmitteln lernen, dann erweist sich die rein finanzielle Betrachtung als ziemlich kurzsichtig, weil sie viele Aspekte schlicht ausblendet.
 
 
 
Carl-Josef Kutzbach
Donnerstag, 23. Juni 2011
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